Mit Hilfe von maschinellem Lernen soll die neue Software von active logistics Touren optimieren. LSU Schäberle befindet sich mitten in der Pilotphase. Der Logistikdienstleister teilt erste Erkenntnisse über den Roll-out, die Effizienzsteigerung sowie geeignete Anwendungsbereiche.
Wenn es darum geht, Zeit zu sparen, Kosten zu senken oder Fahrtstrecken zu verkürzen, spitzen Transport- und Logistikunternehmer von Natur aus die Ohren. Effizienzsteigerungen in der Tourenplanung können ein guter Hebel sein, um diese Ziele zu erreichen. Der webbasierte Dienst active smart tour von active logistics setzt dazu KI-gestützte Lösungen ein und errechnet unter Berücksichtigung diverser Parameter wie Sendungsdaten, dem vorhandenen Fuhrpark, Fahrerfähigkeiten, historischen sowie aktuellen Verkehrsdaten und dem Wetter eine Tour und schlägt sie dem Nutzer als optimale Route vor.
Wie Machine Learning optimiert
Neben den Algorithmen für die Berechnungen kommt auch sogenanntes Machine Learning – also die Fähigkeit der KI, Muster in historischen Daten zu erkennen und ihre Entscheidungen dadurch zu ändern – zum Einsatz. So kann die Software neue Erfahrungen sammeln und konsequent umsetzen. Beispielsweise wird sie eine veränderte Stoppreihenfolge vorschlagen, wenn regelmäßig durch überproportional lange Wartezeiten an einer Abladestelle die pünktliche Zustellung von Terminsendungen in Gefahr gerät. Die Anwendung kann über eine Standardschnittstelle mit jedem Webservice-fähigen Transportmanagementsystem (TMS) verbunden werden.
Ist die automatische Tourenkalkulation abgeschlossen, erhält der Disponent einen mathematisch errechneten Tourenvorschlag, den er per Drag-and-drop manuell anpassen kann. Die Software passt ihre Berechnungen im Hintergrund an. Direkt nach jeder Veränderung sieht der Anwender daraufhin die wichtigsten Kennzahlen in einem Dashboard zur Erfolgskontrolle.
Darüber hinaus kann die Disposition sämtliche geplante und bereits laufende Touren im Blick behalten – sowohl in der Arbeitsoberfläche als auch in einer Kartenansicht. Dafür hat active logistics die Technologie von „HERE Maps“ inklusive der Bereitstellung von Echtzeit-Verkehrsdaten eingebunden. Diese setzt die Lösung auch zur Errechnung der voraussichtlichen Ankunftszeit (ETA) beim jeweils nächsten Empfänger oder der nächsten Ladestelle ein. Zusätzlich ermöglicht der Algorithmus eine schnelle Zuweisung kurzfristiger Abholaufträge an das nächstmögliche Fahrzeug entlang dessen Strecke. Zu Beginn muss der Dienstleister einmal Basisregeln für die Disposition einrichten, damit die Software mit passenden Grundlagen arbeiten kann. Dazu gehören beispielsweise Produktionsgebiete oder die Regionszuordnung für feste Transportunternehmer. Dadurch ist gewährleistet, dass sämtliche Tourenvorschläge den Vorgaben des Logistikdienstleisters entsprechen.
Die für die Tourenplanung benötigte Arbeitszeit soll sich nach Angaben von active logistics um rund 90 Prozent verringern: „Bislang zeichnet sich außerdem ab, dass die Anzahl der benötigten Touren um bis zu 20 Prozent verringert wird und die Speditionen dabei etwa knapp ein Drittel der benötigten Fahrtkilometer sparen“, berichtet Hannes Rabenstein, Product Owner von active smart tour. „Weitere Einsparungen werden sich mit der Zeit durch die Effekte des Machine Learnings ergeben“, meint er.
Christian Zadow, stellvertretender Bereichsleiter Administration/Controlling/Digitalisierung bei LSU Schäberle, kann diese Zahlen nach den ersten Wochen einer operativen Pilotphase bei dem Speditionsunternehmen bestätigen. Insbesondere die Zeitersparnis in der Disposition sei ein echter Gamechanger, sagt er. „Es war zuletzt ein großes Problem, junges, dynamisches Fachpersonal zu bekommen, das unsere Touren in der Nachtschicht disponieren will.“ Das sei aber nach dem alten, händischen Dispositionsverfahren nötig gewesen, einfach weil der Prozess extrem zeitaufwendig sei und für Planungszwecke frühzeitig abgeschlossen sein müsse. Michael Ludwig, Disponent bei LSU Schäberle, bestätigt das aus der Praxis: „Das ist eine rasend schnelle Tourenplanung auch in Gebieten, in denen man nicht tagtäglich unterwegs ist und daher bei manueller Disposition dort einen erhöhten Planungsaufwand hat.“
Erprobung in der Praxis
So begann ein normaler Arbeitstag zwischen 1 und 2 Uhr nachts. Durch die Automatisierung der manuellen Tätigkeiten verkürze sich die Disposition auf einen Knopfdruck und circa 30 Sekunden. „Wir sehen aktuell eine Zeitersparnis von drei bis vier Stunden bei der Nahverkehrsdisposition“, sagt Zadow. Darüber hinaus würden durch die Berücksichtigung von Anlieferungszeiten, Terminsendungen und Lieferzeitfenstern bei der Tourenplanung Folgeeffekte wie Wartezeiten, Vertragsstrafen oder zweite Anlieferungen vermieden werden.
Die erste Phase des Testlaufs, die parallel zur Disposition abläuft, sei bei LSU Schäberle mit aktuell zehn Wochen länger als erhofft, sagt Hannes Rabenstein von active logistics. Währenddessen sei das gesamte Nahverkehrsteam von LSU in den Roll-out des neuen Systems eingebunden, um das Wissen möglichst breit im Unternehmen anzulegen. „Das nimmt circa eine Stunde pro Tag in Anspruch“, berichtet Zadow aus der Praxis. Dabei werden tagtäglich die mit KI-geplanten Touren mit den manuell geplanten Touren verglichen und praxisnahe Anpassungen vorgenommen. Im weiteren Verlauf soll 14 Wochen nach Kick-off bereits mindestens 50 Prozent des Transportvolumens über active smart tour abgewickelt werden. Ein Jahr soll die Pilotphase insgesamt dauern.
Für Rolf Schäberle, geschäftsführender Gesellschafter von LSU Schäberle, war diese Investition eine strategische Entscheidung: „Als wir uns im letzten Jahr für unseren neuen Slogan ,LSU – Wir können Zukunft!‘ entschieden haben, stand dahinter der ernsthafte Wille, uns mit Logistik 4.0 und der Digitalisierung der Logistikbranche auseinanderzusetzen und so sinnvolle Neuerungen für die Praxis zu implementieren. Mit active smart tour ist uns hier der erste Schritt in eine KI-gestützte Nahverkehrsdisposition gelungen.“ Die autonome Disposition active smart tour soll auch als TMS-unabhängiger, flexibel konfigurierbarer Service angeboten werden, verspricht Michael Otto, Vorstand der active logistics AG.